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When the looting starts

the shooting starts. So tweetete Trump am 29. Mai 2020, der 3. Nacht mit Demonstrationen und Plünderungen in Minneapolis und anderswo aus Anlass der Ermordung des Afro-Amerikaners George Floyd durch einen weißen Polizisten: Knee-Choke in lässiger Haltung vor laufender Handy-Kamera. Das „I can`t breathe!“ des Opfers wurde inzwischen das Kennzeichen der weltweiten Proteste gegen Rassismus und Polizeigewalt.

Geht es bei diesem Mord nur um Rassismus und gewalttätige Polizisten? Und wenn das geregelt ist, ist alles gut? Nicht auch um den Krieg Reicher gegen Arme, der psychisch wahrscheinlich derangierte Polizist ein williges Werkzeug?

Der prägnante Satz als solcher, When the looting starts, the shooting starts, stammt aus der Zeit der Bürgerrechtsbewegungen der 1960er, und zwar vom weißen Polizei-Chef von Miami Walter Headley Jr., der sich im Krieg wähnte und das Militär mobilisierte.

Lootings: Plünderungen sind ein Menetekel. Sie zeigen die aus dem Ruder laufende öffentliche Ordnung an, wenn Wut, Verzweiflung, Armut und Ausweglosigkeit in der Bevölkerung allzu groß werden. Bei Plünderungen bekommen die Reichen Panik, rufen nach dem Staat und Trump, von der Deutschen Bank finanziell ermächtigt, macht seinen Job und droht seinem Volk, auch hier in der Tradition des autoritären Polizeichefs von Miami – mit dem Einsatz des Militärs.

Trumps Tweet-Serie in Zusammenhang mit dem Satz wurde vom Mikrobloggingdienst Twitter erstmals als gewaltverherrlichend gebrandmarkt: ein Tabubruch und eigentlich ein Krisenzeichen, denn Trumps Tweets sind schon seit Jahren öfter mal grenzwertig. Im Gegenzug bedroht Trump nun auch noch die Meinungsfreiheit im Netz.

Amerika war früher eine Kolonie Englands, und der gegenwärtige Rassismus ist built in Britain, so Afua Hirsch, um koloniale Ausbeutung, Ausgrenzung und Vernichtung zu legitimieren. Weiße werden heute in rassistische Denkstrukturen hineingeboren, was sie oft selber nicht wissen (wollen), diagnostiziert Alice Hasters. Leider macht die fehlende Selbstreflexion und damit die fehlende Empfindlichkeit für die Ausgrenzung anderer die Anwendung des Instruments Rassismus im Krieg Reicher gegen Arme verlockend leicht. Zumal die Grenzen des Weißseins beweglich sind und Rassismus als flexibles Ausgrenzungsinstrument keineswegs nur auf Hautfarbe/Ethnie beschränkt ist, sondern beispielsweise auch die Religionszugehörigkeit umfasst.

Natürlich gibt es auch bei uns Probleme mit rassistischen und gewalttätigen Polizisten. Erinnert sei an Derege Wevelsiep in Frankfurt. An die von institutionellem Rassismus geleiteten „Dönermord“-Ermittlungen bei den NSU-Mordopfern und insbesonderen bei deren Familien. Der Mord an Oury Jalloh im Polizeigewahrsam Dessau hat es immerhin zu einem Justizskandal gebracht: Wäre so nicht passiert, hätten wir eine unabhängige Meldestelle mit eigenen Untersuchungsbefugnissen. Und natürlich gibt es auch bei uns, darin werden wir Amerika immer ähnlicher, eine weiterhin steigende Ungleichverteilung der Einkommen und Vermögen und damit eine steigende Ungeichverteilung des Zugriffs auf soziale und politische Macht.

Im wirklich lesenswerten aktuellen Jacobin-Beitrag Wieso die USA brennen wird an die Riots von 1967 erinnert, „ikonischer Bezugspunkt der schwarzen Bürgerrechtsbewegung und der aufkeimenden Jugendrevolte“. Die derzeitigen Bürgerproteste in den USA werden ganz ähnlich auch durch Frustration befeuert: Dass die jahrelang sehr aktive Bürgerbewegung #BlackLivesMatter nicht geholfen hat, und dass die afro-amerikanische Bevölkerung weiterhin wirtschaftlich und sozial abgehängt ist. Das wird gerade in der Corona-Pandemie augenfällig, wenn ein überproportionaler Anteil am Corona-Virus erkrankt und stirbt.

Die Aufstände von 1968 in Amerika konnten Nixons Wiederwahl nicht verhindern, und das könnte mit Trump ebenso ausgehen. Aber sie leiteten Studentenproteste ein, die auch bei uns in Europa frischen Wind in die alten autoritär-patriarchal-rassistischen Denkstrukturen brachten und die deutsche Gesellschaft, die damalige BRD, ein gutes Stück demokratischer machten.

Der derzeit wiederbelebte alte Trick mit der rassistischen Spaltung der Gesellschaft mag den Reichen nützlich sein, verhindert aber der Lösung der Probleme unserer Weltgesellschaft: Die Zerstörung unseres Planeten, der Klimawandel, freidrehende Finanzmärkte, atomare Bedrohung, die Möglichkeit weiterer Pandemien, es gibt noch viele mehr. Was helfen würde: Endlich aufwachen aus dem Traum der weißen Überlegenheit, bißchen nachdenken über sich und andere, die faire Verteilung unserer Ressourcen, respektvolle Kooperation, demokratischer Sozialismus vielleicht? Denn sonst: When the music’s over – put out the light! (The Doors)