Stadt für alle? Bodenreform jetzt? Revolutionäre Forderungen aus einem post-kolonialen Staat? Nein, es ging um die Bedingungen für eine am Gemeinwohl orientierte Bodenpolitik in Deutschland: Derzeit die entscheidende Voraussetzung für die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum.
Diskutiert wurde gestern Abend in der evangelischen Akademie am Römer vor offenkundig betuchtem, jedenfalls wohlgekleidetem Pubikum, interessanter Kontrast zur Sitzung der NBO, aus der ich angehetzt war: regelmäßiger Termin in einer Senioren-Begegnungsstätte, bei dem sich Menschen treffen, die gerade aus ihren Wohnungen verdrängt werden und sich Rat holen bei denen, die diese Erfahrung schon hinter sich haben.
Grundsätzlich ist es sehr zu begrüßen, dass die evangelische Akademie in Kooperation mit der FAZ, der Abend wurde von FAZ-Redakteurin Mechthild Harting moderiert, die explodierenden Bodenpreise überhaupt in den Blick nimmt. Denn sie steigen noch viel schneller als die rasant steigenden Mieten, sind aber in den öffentlichen Medien bislang kaum Thema. Dabei schien die sozialgerechte Bodennutzung für alle Podiumsgäste akzeptabel und auch erstrebenswert, selbst aus dem Publikum kam nur ein zaghafter Einwurf.
Fabian Thiel von der FH Frankfurt erinnerte an das Grundgesetz, wonach Boden eben nicht als Wertspeicher für die seit der letzten Finanzmarktkrise anwachsenden Kapitalmassen herhalten sollte. Martin Kraushaar von der Architektenkammer Hessen plädierte für die stärkere Konzeptvergabe von städtischem Boden. Stadtplaner Stefan Reiß-Schmidt wies u.a. darauf hin, dass leistungslose Bodenwertzuwächse in Deutschland immer noch nicht abgeschöpft werden, dass der Immobilienmarkt weiterhin undurchsichtig ist, dass unser Steuerrecht Spekulanten immer noch Schlupflöcher wie Share Deals zur Vermeidung der Grunderwerbssteuer bietet, dass die Hälfte der Baugenehmigungen im Ballungsgebieten nicht umgesetzt werden, Indikator für einen überhitzten Bodenmarkt.
Zu- und Abwanderungen in Frankfurt scheinen sich erstaunlicherweise in etwa die Waage zu halten. Könnte das bedeuten, dass die ärmeren FrankfurterInnen inzwischen ins Umland abwandern und ersetzt werden durch Wohlhabende aus wohlhabenderen Weltgegenden? Besorgniserregend der Hinweis auf die kapitalfreundliche Rolle der EU bei der Monetarisierung des Gemeinguts Boden. Aber Hoffnung keimt, weil in der neuen hessischen Verfassung, über die zur Landtagswahl mit abgestimmt werden wird, unter dem Punkt Infrastruktur auch Errichtung und Erhalt von „angemessenem Wohnraum“ Staatsziel werden soll.
Was können wir sonst noch tun? Jacqueline Charlier aus dem Münchner Referat für Stadtplanung und Bauordnung berichtete, was trotz der eher mieterfeindlichen Bundesvorgaben auf kommunaler Ebene noch machbar ist. Etwa die Möglichkeiten des Baugesetzbuchs besser nutzen, mit dem Bebauungsplan wedeln und Investoren damit zu Deals verleiten, womit bis zu zwei Dritteln des privaten Gewinns für öffentliche Infrastrukturmaßnamen eingesetzt werden können. Selbst das Instrument Erhaltungssatzung wird anscheinend nutzbringend angewandt.
In Frankfurt dagegen ist gerade das Thema Erhaltungssatzung ein Indikator für mangelndes Problembewusstsein bei der regierenden Römerkoalition, da kam auch Kolja Mueller als Podiumsvertreter der Stadt Frankfurt nicht gegen an: 2014 wurde die Errichtung für mehrere Stadtteile, u.a. Nordend-Mitte und Ostend-West, beschlossen. 2018 sind die Erhaltungssatzungen noch immer nicht in Kraft, und wenn sie denn kommen, wahrscheinlich als zahnlose Tigerchen, werden sie ganze fünf Jahre gelten. Ein anderer Indiktor ist die undurchsichtige Bodenpolitik der Stadt, auf die Eyup Yilmaz von der Linken aus dem Publikum hinwies. Es soll u.a. eine HessenAgentur geben, die immer noch höchstbietend Frankfurter Bauland verkauft.
Die Stadt braucht halt das Geld, auch die jährlich steigende Gewinnausschüttung der kommunalen Wohnungsbaugesellschaft ABG, die sich weiterhin schwer tut mit sozialverträglichen Mieten, denn allein die neuerrichtete und kürzlich mit viel Pomp eröffnete Frankfurter Altstadt soll 200 Millionen gekostet haben.
Aber Frankfurt hat auch eine lange wehrhafte Tradition, denken wir nur an die Häuserkämpfe der 68er Jahre. Und es ist nun wieder soweit und Zeit auf die Straße zu gehen: Nächsten Sonntag, 20. Oktober 2018, Start 13 Uhr am Hauptbahnhof. #Mietenwahnsinn-Hessen: Kommet zuhauf!
Und übernächsten Sonntag zur Landtagswahl Hessen: Kreuzchen an den richtigen Stellen!