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Hilfe? Hilfe!

Land in Sicht, der legendäre Buchladen im Frankfurter Nordend: Thomas Gebauer, Ex-Geschäftsführer und jetzt Sprecher der Stiftung medico international, stellte gestern das zusammen mit Ilija Trojanow geschriebene Buch vor, das zur letzten Buchmesse erschienen ist: Hilfe? Hilfe! – Wege aus der globalen Krise.

Helfen ist erstmal gut, auch für den Helfenden, auch wenn wir im Alltag eher hedonistische Individuen sind. Entwicklungshilfe als institutionalisierte, verstaatlichte, verkirchlichte Hilfe steht allerdings schon lange im Verdacht, eine neue Form der Kolonisierung des Globalen Südens zu sein. Hilfe lindert zwar die erste Not, macht Empfänger der Hilfe aber auch abhängig.

Und gerade Entwicklungshilfe gebiert Gebilde, die auf Selbsterhalt aus sind und in erster Linie die Interessen der Geberländer verfolgen. Das Buch entstand als Ergebnis mehrerer gemeinsamer Reisen der beiden Autoren durch verschiedene Länder des Globalen Südens. Thomas Gebauer schilderte Erlebnisse, von denen aus meiner Sicht zwei den breiten Bogen dessen kennzeichnen, was unter der Überschrift Entwicklungshilfe so stattfindet.

Karachi, Ausstellungseröffnung zum Thema Entwicklungshilfe samt Empfang im Garten einer der internationalen Hotels. Gastgeber ist das Konsulat eines westlichen Landes, das Imagepflege betreibt. Die gute Gesellschaft der Stadt netzwerkt bei alkoholischen Getränken, in Pakistan schwer zu bekommen. Neben dem üppigen Buffet wartet die „Robin Hood Army“, um die Reste abzuräumen und unter den Armen zu verteilen. Wem wird hier wie geholfen? Kann sowas nachhaltig sein?

Das Gegenmodell ist ein Projekt in Südafrika, bei dem es um die Renovierung von Schultoiletten geht. Geld wird angeliefert, den Zuschlag zur Durchführung des Projekts bekommt die südafrikanische Anwaltskanzlei Section 27, die in einer weltweit beachteten Kampagne Pharmakonzerne dazu gebracht hatte, Aidsmedikamente zu bezahlbaren Preisen bereitzustellen. Section 27 kauft keine Farbe und Pinsel, sondern setzt in einer Kampagne durch, dass die Behörden des Landes ihrer Pflicht nachkommen, für menschenwürdige Aborte zu sorgen. Dabei lernen Betroffene, dass sie Rechte haben, und wie sie sie durchsetzen, gerade in einer Situation extremer sozialer Ungleichheit.

Wer dagegen wie die Gates dieser Welt mit den Mitteln des Markt-Kapitalismus deren Auswüchse bekämpft, womöglich noch über die Köpfe der Betroffenen hinweg, der betreibt die Refeudalisierung der Welt, jetzt im globalen Maßstab: Hilfe als Ablasshandel. Gebauer zitierte Johann Heinrich Pestalozzis „Wohltätigkeit als Ersäufnis des Rechts im Mistloch der Gnade“, um scharfzuzeichnen, was die beiden Autoren leitet. Gebauer plädiert an dem Abend beispielsweise für eine globale Bürgerversicherung, auch, um unsere eigenen Errungenschaften zu erhalten und unsere eigenen Institutionen zu verteidigen.

Hilfe? Ja, vielleicht, eher nein. Was Not tut: Unsere Imperiale Lebensweise zu erkennen und abzulegen. Und gemeinsam kämpfen für die Menschenrechte aller.