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Landkonflikte

Klingt erstmal wie eine Meldung aus dem Globalen Süden, aus Latein-Amerika beispielsweise. Aber in der Podiumsdiskussion im Haus am Dom ging es um Frankfurt, genauer: Um Interessenskonflikte innerhalb der Frankfurter Bürgerschaft. Frankfurt wächst, die Mieten steigen rasant, bezahlbarer Wohnraum schwindet, die Stadt hat das Problem bisher gekonnt ignoriert. Kein Land in Sicht?

Nun muss ganz schnell was passieren, denn angesichts extrem steigender Mieten und deutlich weniger stark steigender Einkommen hätte inzwischen sogar die Mehrheit der FrankfurterInnen Anspruch auf eine geförderte Wohnung, ob Sozialwohnung auf dem ersten Förderweg oder eine Wohnung des zweiten Förderwegs aus dem neuen Mittelstandsprogramm. Fast 10% der BürgerInnen hat offenbar überhaupt keine Wohnung. Indiz für die Brisanz der Lage war der vollbesetzte Giebelsaal, lauter besorgte BürgerInnen, allerdings mit unterschiedlichen Sorgen.

Als Vertreter der Stadt schlug sich Marcus Gwechenberger vom Planungsdezernat erstaunlich gut, obwohl ihm viel Mißtrauen entgegen gebracht wurde, Ergebnis der bisherigen Politik des Wegguckens. Er referierte zum Innovationsquartier im Nordend, zum geplanten neuen Viertel an der A5, benannte die Grenzen des städtischen Handungsrahmens: Viele Problemlösungen scheitern an der neoliberal verfassten Wohnungspolitik auf Landes- und Bundesebene.

Die Ausführungen von Marcus Gwechenberger nährten zudem den Verdacht, dass die städtische Planungspolitik des BauenBauenBauen nicht zum gewünschten Erfolg führen wird. Die öffentliche Bezuschussung privater Baumaßnahmen wird nicht schnell genug zu bezahlbarem Wohnraum führen, und dieser Wohnraum wird dann auch nicht lange bezahlbar bleiben, da Investoren sich nach 15 Jahren freikaufen können, um dann richtig Geld zu verdienen. Zum einzigen städtischen Hebel zur schnellen Linderung der Wohnungsnot, der kommunalen Wohnungsbaugesellschaft ABG Holding, schwieg er diplomatisch. Und auch die Frage aus dem Publikum, ob Frankfurt weiterhin Land verkaufe, scheint im wesentlichen offen geblieben zu sein.

Conny Paetzold von der Initiative „Eine Stadt für Alle! Wem gehört die ABG?“, die kurzfristig für den überraschend verstorbenen, in der Tat unersetzlichen Peter Gärtner eingesprungen war, erinnerte an die eigentliche Aufgabe einer kommunalen Wohnungsbaugesellschaft, preiswerten Wohnraum für die BürgerInnen zu schaffen, und nicht Gewinne anzuhäufen. Sie erinnerte an den Bau von 10.000 Wohnungen nach dem 1. Weltkrieg, finanziert u.a. durch eine Art von Bürgersteuer, und sie verwies auf eine Meldung in der Frankfurter Rundschau des Vortags anlässlich der Haushaltsverhandlungen der neuen Römer-Koalition: Die ABG Holding weigert sich offenbar, das Wahlversprechen Peter Feldmanns umzusetzen, den sog. Mietenstopp fortzuschreiben und auch in Zukunft Mieten nur um 1% pro Jahr zu erhöhen, anstatt um die gesetzlich erlaubten 15% in 3 Jahren. Und dies, obwohl die ABG Holding in den Jahren, in denen der Mietenstopp galt, weiterhin einen Rekordgewinn nach dem anderen eingefahren hat.

Eine zu gute Gelegenheit für CDU/Grüne, Feldmann auflaufen und dabei die BürgerInnen mit der drastischen Mietenlage im Regen stehen zu lassen? Denn was nutzt das eine eingehaltene Feldmann-Wahlversprechen, Kinder unter 3 von Kita-Gebühren freizustellen, wenn diese Kinder keine angemessene Wohnung haben und die Familien deshalb wegziehen müssen?

Das mehrheitlich grauhaarige Publikum interessierte sich eher weniger für das gebrochene Wahlversprechen Feldmanns, für die neoliberale Mietenpolitik der ABG Holding oder für Verkäufe städtischen Grund und Bodens an Spekulanten. Peter Beckmann von der Initiative „Grüne Lunge am Günthersburgpark“ schilderte durchaus überzeugend, wieviel verloren geht, wenn Frankfurt wächst und etwa Kleingärten dem Wohnungsbau weichen müssen: Die Artenvielfalt, der Wallnussbaum, der Wetterau-Wind, all das lässt sich dann vielleicht nicht ganz so erhalten. Besonders BesitzerInnen von Wohneigentum scheinen Zukunfts- und Verlustängste zu haben und ärgern sich ersatzweise über schwarze Fensterbretter an der feinstaubgeplagten Friedberger. Sollten wir also potentielle NeubürgerInnen an der Stadtgrenze abweisen? Ausbau und Kostenfreistellung des öffentlichen Nahverkehrs spielte in der Debatte übrigens auch keine Rolle.

Eine idyllische, geradezu hoffnungsfrohe Note gab Karen Schewina von der Initiative Solidarische Landwirtschaft Frankfurt: Solawi 42 der Veranstaltung. Sie stellte ihr ökologisch-landwirtschaftliches Projekt vor und warb dafür, die stadtnahen Felder für den Frankfurter Bedarf zu nutzen, wie in Niederrad schon traditionell üblich. Einer der Besitzer der Felder, auf denen das neue Viertel an der A5 entstehen soll, berichtete von den derzeitigen Erträgen, u.a. Gerste für eine Frankfurter Brauerei. Ich lernte: Wetterauer Boden ist mit der fruchtbarste in Europa. Eigentlich schade, dass er überbaut werden soll. Aber Lebensmittel können auch woanders angebaut werden, auch wenn die Transportwege die Ökobilanz verschlechtern. Für uns Menschen ist Wohnen halt Grundbedürfnis, am liebsten in Anhäufungen, gern auch vertikal wie in Frankfurt. Wohnen hätte nie dem freien Markt überantwortet werden dürfen: Welcher Idiot ist eigentlich auf die bescheuerte Idee gekommen?

Nachtrag – Neuordnung des Bodenrechts notwendig

Aus einem Newsletter der Süddeutschen Zeitung von Heribert Prantl: Prantls Blick vom 29. April 2018, ist zu erfahren, dass steigende Grundstückspreise der wichtigste Kostentreiber beim Bauen und Mieten sind. Und dass Spekulanten einfach auf weitere Wertsteigerung setzen: „In Berlin sind die Bodenpreise in den vergangenen fünf Jahren um 345 Prozent gestiegen, die Verkaufspreise für Neubauwohnungen nur um 60 Prozent.“ Warum also bauen?