Die Folgen der unvollendeten Dekolonisierung Namibias: Erased Memories, Disrupted Futures, Thema einer Veranstaltung von Medico International und Forensis/Forensic Architecture am 10. Januar 2025 im Mouson-Turm. Es ging dabei um den Völkermord zwischen 1904 und 1908 an den OvaHerero und Nama, begangen durch die damaligen deutschen Kolonialherren. Und den Deal zwischen den Regierungen Namibias und Deutschlands zur Lieferung von Wasserstoff.
Dafür soll eine kleine Insel ausgebaut werden, Shark Island, wo die Konzentrations- und Vernichtungslager gestanden hatten und die Gräber sind. In einem 35minütigen Film aus dem Jahre 2024 von Forensis Berlin wurde Shark Island anhand von digitalen Rekonstruktionen, historischen Dokumenten und mündlichen Berichten der Nachfahren für dass Publikum erlebbar gemacht. Shark Island ist eigentlich ein Gedenkort, aber Namibia ist ein armes Land, praktisch im Besitz der Nachfahren der weißen Kolonisatoren, das Land mit der zweitgrößten Einkommensungleichheit weltweit, nach Südafrika. Es besteht also wenig Interesse, das Gedenken wach zu halten. Nicht umsonst heißt die Hafenstadt Lüderitz noch immer so, und nicht, wie sie vor der Kolonisierung geheißen hatte.
Der Deal wurde zwischen den beiden Regierungen geschlossen, ohne die vom Genozid betroffenen Ethnien der OvaHerero und Nama einzubeziehen, darauf wiesen die beiden Referenten immer wieder hin: Marcella Katjijova, Aktivistin und psychologische Beraterin für die OvaHerero Genocide Foundation (OGF), und Mark Mushiva von Forensis Berlin. Ohne Anerkennung des Genozids, ohne Reparationszahlungen, ohne Wahrheitskommission, Versöhnungs- und Heilungsprozess. Der Deal wird dennoch in der Bevölkerung als Chance auf Jobs und Wohlstand gesehen, ist auf demokratischem Weg durchsetzbar und entspricht natürlich den Interessen globaler Akteure im Energiesektor. Aber: Würde die deutsche Regierung in Erwägung ziehen, eine Industrieanlage im Gedenkort Auschwitz zu erbauen, wenn Konzerne darauf drängen würden?
Moderiert wurde der Abend vor ausverkauftem Haus von der Medico-Mitarbeiterin Julia Manek, im Publikum überwiegend engagierte junge Leute. Das lässt hoffen. Marcella sah die Veranstaltung als einen ersten Schritt auf dem Weg zu einer Aussöhnung.
Den kritischen deutschen Blick auf die brutale Kolonisierung Namibias durch Deutschland thematisiert übrigens der eindrücklich Film von Lars Kraume „Der vermessene Mensch“ von 2023.