kolonialwaren-ffm.de

Conversing With Leaves

Die Botschaften der Botanik und überhaupt der gesamten Natur drängen sich uns inzwischen mit Macht auf: Unser Haus brennt! Einer der treibenden Faktoren dabei, die kolonial-kapitalistische Natur- und Menschenverwertung, steht seit Ende November 2019 im Mittelpunkt der großartigen Ausstellung „Conversing With Leaves“ von Uriel Orlow in der Kunsthalle Mainz.

Für die Austellung sollten sich Besucher*innen viel Zeit nehmen. Denn Orlow bespielt alle sechs Ebenen des Hauses mit vielfältigen multimedialen Installationen. Die Zeitachse der Geschichten, die mit präziser Eleganz erzählt werden, reicht weit in unsere koloniale Vergangenheit zurück, aber auch ins ungewisse Morgen. Die politische Dimension, die in allen Arbeiten aufleuchtet, zeigt uns die Handlungsmöglichkeiten, die uns noch bleiben.

Der Besuch der Ausstellung ist eigentümlich erholsam und zugleich erhellend. Beispielsweise der Dokufilm „Muthi“: Ein filmischer Spaziergang durch die südafrikanische Landschaft, in der Heilkräuter, Wurzeln, Rinden etc. gesammelt werden, untermalt von betörender afrikanischer Musik. Damit verschränkt der nachgespielte historische Prozess gegen einen Medizinmann: „The Crown Against Mafavuke“. Dazwischen Informationen über Versuche multinationaler Unternehmen, sich die südafrikanische Botanik via Patentierung anzueignen. Eine deutsche Firma sei mit dem Versuch gescheitert, sich die Pelargonien-Art für das bei uns bekannte Hustenmittel Umckaloabo so zu sichern.

Besonders schön: Die Haiku-artige Diashow über den Handtuch-schmalen Garten, den sich Nelson Mandela zusammen mit zwei Mitgefangenen im Gefängnishof anlegen durfte. Und die filmischen Dokumentionen aus Palermo: Bäume mit Bedeutung. Junge Migranten aus Afrika, die als Köche in einem zukunftsweisenden Hilfsprojekt arbeiten. Und das Interview mit der über 90jährigen Anti-Mafia-Aktivistin Simona Mafai, die von Besonderheiten des Frauenengagements in politischen Prozessen erzählt.

Zum Abschluss dürfen sich Besucher*innen eine Tasse Artemisia-Tee nehmen und sich beim Schlürfen des leicht bitteren Getränks das lustige Loblied auf dieses pflanzliche Malariamittel anhören.

Die wunderschöne Ausstellung wurde bis einschließlich 19. April 2020 verlängert: Hingehen und genießen!